Das Fass

Man erkennt sie sofort, diese unglücklichen kleinen Kinder, die aus der Schule in ein leeres Haus zurückkehren, die Robinson Crusoe auswendig kennen und mit neun Jahren schon Leben und Leiden in Sibirien und Die Reise in das Land Waschukulumba lesen. Man erkennt sie, die kleinen Waisen, die früh ihre Mutter verloren, die ihren Kopf unter das Kissen verbergen, wenn der Leichenwagen vorbeifährt, die sich fürchten, wenn nachts die Uhr schlägt, und deren Gesicht schmal und bleich ist, mit langen, dünnen Ärmchen – so zerbrechlich wie Zweige im Wind.

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Schulaufgaben bereiteten mir keine großen Sorgen. Alles war einfach und leicht und ließ sich schon in der Schule lernen und behalten. Mein Bruder dagegen war ein kleiner Wildfang, ein ungestümer Lausbub. Er errichtete die Burg von Skadar an der Bojana und mauerte meine Puppen ein, suchte für die Ameisen den Berg Rtanj, spannte Heuschrecken vor Wagen aus Spielkarten – und lief mehr auf den Händen als auf den Beinen.

Ich saß also den ganzen Tag allein, irgendwo in einer stillen Ecke, und blätterte in bunten, leuchtenden Tafeln der Lexika und naturwissenschaftlichen Bücher.

Dort loderte das Nordlicht, dort standen jene seltsamen tropischen Pflanzen mit den Physiognomien wilder Tiere; das Meer rauschte, und darauf fuhren gewaltige Galeeren assyrischer Ruderer. Ägyptische Krieger zogen in den Kampf, einer wie der andere, mit gespannten Pfeilen und diesen merkwürdig scharfen Profilen – Köpfen, die auf beiden Schultern zu ruhen schienen.

Dort setzte Charon die Seelen der Toten über; dort herrschte das finstere Schweigen des gefrorenen Nordens und der schreckliche Tod im Sand, der kein Wasser gibt. Dort blitzten, scharf wie Säbel, die gelben Augen königlicher Tiger, und sanft schimmerten die blauen Augen der weißen Falken Skandinaviens.

So war es heute, so war es morgen, so war es im Winter, so war es im Sommer – zuerst im Zimmer, dann im Flur, auf dem Dachboden, im Garten und schließlich im Fass.

Ich nannte es ein Fass, aber in Wirklichkeit war es ein riesiger Bottich – ausgetrocknet, verzogen, ein alter Bottich, der hinten im Hof stand und ohne jeden Zweck langsam verfiel und zerfiel. Die Dauben an den Seiten hielten sich noch irgendwie, doch sie waren ausgedörrt und von Rissen durchzogen. Unten fehlte der Boden, und der umgedrehte Deckel oben, der nun wie ein Dach lag, war völlig durchlöchert – jede Diele ließ sich bewegen, und viele der Hauptbretter waren längst verschwunden.