Heirat Dušans
Als der Serbenkaiser Stefan freite, Warb er in der Ferne um ein Mädchen, Fern in Ledjan, der lateinschen Feste, Beim Lateinerkönig Mihailo -Um das Mädchen Roksanda mit Namen. Was der Kaiser wünscht, gibt ihm der König.Als er brieflich so die Braut gewonnen, Ruft er den Wesir und Dienstmann Todor: "Auf, du mein Wesir und Dienstmann Todor,Auf, begib dich nach dem weißen Ledjan Zu dem König, meinem Schwiegervater, Um mit ihm die Hochzeit zu vereinbarn: Wann wir nach der Braut aufbrechen sollen, Wieviel Gäste wir mitbringen können.Und besieh mir Roksanda, das Mädchen: Taugt sie wohl zur Kaiserin dem Kaiser, Taugt sie für das ganze Land als Herrin? Dies mach aus und stecke ihr den Ring an."Ihm erwidert der Wesir, Herr Todor: "Gerne tu ich's, lieber Herr und Kaiser," Und bricht auf und geht zu den Lateinern.Als er ankam in dem weißen Ledjan, Da empfing der König ihn aufs schönste, Und sie tranken Wein wohl eine Woche.Hierauf sagte der Wesir, Herr Todor: "O mein Freund, Herr König Mihailo Sieh, der Kaiser hat mich nicht entsendet, Daß ich kühlen Wein in Ledjan trinke, Sondern daß die Hochzeit wir vereinbarn:Wann soll er nun nach der Braut aufbrechen, Wann wohl und in welcher Zeit des Jahres, Wieviel Hochzeitsgäste soll er bringen?Ich jedoch soll Roksanda mir ansehn, Soll sie sehen, ihr den Ring anstecken."Hierauf sprach der König Mihailo: "O mein Freund, Wesir und Dienstmann Todor, Fragt der Kaiser nach den Hochzeitsgästen, Nun, so sammle er, soviel er möchte,Und ums Mädchen komm' er, wann er möchte;Aber grüße ihn und sag dem Kaiser, Daß er seine Neffen nicht hierherbringt, Die zwei Neffen, zwei Vojinovićen, Den Vukašin und mit ihm Petrašin:Denn beim Trinken sind sie schwere Säufer Und im Streite bitterböse Schläger; Sie betrinken sich und fangen Streit an, Und sodann ist's schwer, den Streit zu schlichten Hier in unsrer Stadt, dem weißen Ledjan.Doch das Mädchen sollst du schleunigst sehen Und den Ring ihm geben nach der Sitte."Als die dunkle Nacht herbeigekommen, Bringt man da mitnichten Kerzenlichter, Sondern führt die Braut heraus im Dunkeln.Als dies sah der treue Dienstmann Todor, Nahm er gleich hervor die goldnen Ringe Samt den Perlen und den Edelsteinen -Von den Steinen ward der Raum erleuchtet, Und es schien ihm, daß das MädchenSchöner wäre als die weiße Vila; Todor steckte Roksanda den Ring an, Und er gab ihr tausend Golddukaten, Doch die Brüder führten weg das Mädchen.Als frühmorgens nun der Morgen anbrach, Machte Todor, der Wesir, sich fertig Und begab sich nach dem weißen Prizren. Als er ankam in dem weißen Prizren,Fragte ihn der Serbenkaiser Stefan: "O du mein Wesir und Dienstmann Todor, Hast du Roksanda, die Braut, gesehen? Sahst du sie, und gabst du ihr den Brautring? Und was sprach der König Mihailo?"Todor sagt ihm alles nach der Reihe: "Ja, ich sah sie, steckte ihr den Ring an. O wie schön ist Roksanda, das Mädchen! Solche gibt es nirgends bei den Serben! Edel sprach der König Mihailo:Komme um das Mädchen, wann du möchtest, Sammle Hochzeitsvolk, soviel du möchtest; Nur, er läßt dich grüßen und dich bitten, Daß du deine Neffen nicht hierherbringst, Die zwei Neffen, zwei Vojinovićen;Denn beim Trinken sind sie schwere Säufer Und im Streite bitterböse Schläger; Sie betrinken sich und fangen Streit an, Und sodann ist's schwer, den Streit zu schlichten Dort in Ledjan, der Lateiner-Feste."Als der Serbenkaiser dies vernommen, Schlug er mit der Hand sich auf die Knie: "Wehe mir, beim lieben Gott im Himmel! Kam bis dorthin schon der Ruf der Roheit Meiner Neffen, der Vojinovićen?!Nun, so wahr mein Ehrenwort mir heilig, Gleich nachdem das Hochzeitsfest vorüber, Werde ich die beiden dort erhängen, Hoch am Tor von Vučitrn, der Feste, Daß sie mir nicht draußen Schande machen!”Hochzeitsgäste sammelt nun der Kaiser, Sammelt deren wohl an die zwölftausend Und bewegt sie längs des Amselfeldes. Als sie unterhalb Vučitrns waren,Sahen dies die zwei Vojinovičen, Und es sprachen unter sich die Junker: "Warum ist der Onkel auf uns zornig, Daß zur Hochzeit er uns nicht geladen? Jemand hat uns wohl bei ihm verleumdet -Möge ihm das Fleisch vom Leibe fallen! Denn der Kaiser geht zu den Lateinern, Und er hat bei sich nicht einen Helden, Keinen einz'gen aus dem eignen Stamme, Welcher in der Not ihm beistehn könnte,Wenn er einmal dort in Not geriete. Die Lateiner sind alte Betrüger, Unsern Onkel werden sie uns töten, Ungeladen dürfen wir nicht hingehn."Ihnen sagte die ergraute Mutter: "Meine Kinder, ihr Vojinovićen, Im Gebirge habt ihr einen Bruder Bei der Herde, den Schafhirten Miloš; Er, der Jüngste, ist der beste Recke, Und es weiß der Kaiser nicht um Miloš.Sendet ihm ein feines weißes Briefblatt, Daß er nach der Stadt Vučitrn komme; Schreibt ihm aber nicht, was wirklich vorliegt, Sondern schreibt: 'Die Mutter liegt im Sterben, Und sie ruft nach dir, um dich zu segnen,Daß dich künftig nicht ein Fluch beschwere; Also komme schnell zum weißen Hofe, Um die Mutter lebend anzutreffen!"Die zwei Brüder hörten auf die Mutter, Schrieben schleunigst auf dem Knie ein Schreiben,Und sie schickten es ins Šar-Gebirge Ihrem Bruder, dem Schafhirten Miloš: "Lieber Miloš, unser teurer Bruder, Komme schnell nach Vučitrn, der Feste, Unsre alte Mutter liegt im Sterben, Und sie ruft nach dir, um dich zu segnen, Daß dich künftig nicht ein Fluch beschwere."Als nun Miloš diesen Brief erhalten, Liest er darin und vergießt viel Tränen,Und es fragen ihn die dreißig Hirten: "Lieber Miloš, unser aller Häuptling, Auch bisher sind Briefe angekommen, Doch du lasest sie nicht unter Tränen! Sag, woher der Brief, um Himmels willen?"Miloš springt nun auf die leichten Füße, Und er redet so zu seinen Hirten: "O ihr Hirten, meine lieben Brüder, Dieses Schreiben kommt von meinem Hofe: Meine alte Mutter liegt im Sterben,Und sie ruft nach mir, um mich zu segnen, Daß mich künftig nicht ein, Fluch beschwere; Hütet ihr die Schafe im Gebirge, Bis ich hingeh' und auch wiederkomme."Miloš machte sich nach Vučitrn auf; Als er nahe war am weißen Hofe, Schritten die zwei Brüder ihm entgegen, Hinter ihnen die ergraute Mutter. Doch da sagte der Schafhirte Miloš: "Warum, Brüder, um des Himmels willen,Ohne Notfall eine Not erfinden?" Ihm versetzten die zwei lieben Brüder: "Komm, o Bruder auch den Notfall gibt es!”Und sie küßten sich aufs weiße Antlitz, Miloš küßt' die weiße Hand der Mutter.Da begannen sie, ihm zu berichten, Wie der Kaiser um das Mädchen fortzog,Fernhin, in die Lande der Lateiner, Doch die Neffen nicht geladen habe: "Also, Miloš, unser teurer Bruder, Willst du hinterm Onkel ungeladen Auf die Hochzeit gehn, um aufzupassen?Wenn er dort in Not geraten sollte -Leiste helfend in der Not ihm Beistand! Sollte er nun nicht in Not geraten, Kannst du unerkannt nach Hause kommen." Dieses konnte Miloš kaum erwarten:"Ja, ich will es, meine lieben Brüder. -Und für wen denn, wenn nicht für den Onkel!"Und sie machten Miloš reisefertig; Petar ging, den Grauen aufzusatteln, Vukašin half Miloš in die Kleider:Streifte ihm ein feines Leibhemd über, Bis zum Gürtel aus gediegnem Golde Und vom Gürtel an aus weißer Seide;Auf das Leibhemd drei hauchdünne Westen, Und darauf ein Kleid mit dreißig Knöpfen;An dem Kleide Schildchen aufgehämmert, Goldne Schildchen, die vier Oka wiegen; An die Beine Spangenwerk und Hosen; Über all dies den Bulgarenmantel, Auf den Kopf aus Pelz die Bulgar-Mütze;Also machte er sich zum Bulgaren, Daß ihn selbst die Brüder nicht erkannten; Und sie gaben ihm den scharfen Kampfspeer Und das grüne Schwert des alten Vojin; Petrašin, der führte ihm das Pferd zu,Ganz mit Bärenfell ringsum ummantelt, Daß der Zar den Grauen nicht erkenne.Schön berieten ihn die beiden Brüder:"Miloš, wenn du eingeholt den Brautzug, Wird man fragen, wer du seist, wes Landes;Sag, du seist vom Lande Karavlaška: Dortzulande diente ich Beg Radul, Doch er wollte mir den Dienst nicht zahlen, Und so brach ich in die weiße Welt auf,Um dort einen bessern Dienst zu suchen; Da vernahm ich von des Kaisers Brautzug, Und zum Brautzug stieß ich ungeladen, Hoffend auf ein Stückchen weißen Brotes Und auf einen Becher roten Weines.'Achte ständig auf des Grauen Zügel, Denn es ist daran gewöhnt der Graue, Mit des Kaisers Pferden stets zu reisen."Miloš wendete hierauf den Grauen, Und er ritt dem Kaiser nach zur Hochzeit.Im Zagorje stieß er zu dem Brautzug. Und es fragten ihn die Hochzeitsgäste: "Sag, wo kommst du her, Bulgarenbürschlein?" Er gab vor, von weither anzureisen, Wie die Brüder ihn gelehrt zu sagen.Schön empfingen ihn die Hochzeitsgäste: "Sei willkommen, o Bulgarenbürschlein! Möge einer mehr sein in der Mannschaft!"Während sie nun auf der Straße ritten (Miloš hatte üblen Brauch erworbenBei den Schafen, dort im Sar-Gebirge: Gegen Mittag immer kurz zu schlummern), Schlief er ein auf seinem Pferd, dem Grauen. Als dem Grauen jetzt der Zaum erschlaffte,Hob er seinen Kopf, lief durch den Brautzug, Stürzte hierbei Pferde um und Recken, Bis er ankam bei des Kaisers Pferden; Und er stellte sich in ihre Reihe.Hierauf wollten Höflinge ihn schlagen, Doch verwehrte dies der Kaiser Stefan: "Schlagt nicht ein auf das Bulgarenbürschlein, Denn es hat sich angewöhnt zu schlafen, Im Gebirge, wenn es Schafe hütet;Schlagt es mir nicht, sondern weckt es lieber."Und ihn weckten Höfling und Vojvode: "Auf, erwache, du Bulgarenbürschlein, Möge Gott dir nicht die Mutter töten, Die als einen solchen dich geboren Und zur Hochzeit dich geschickt dem Kaiser!"Als nun auffuhr Miloš Vojinović, Nahm er wahr des Kaisers schwarze Augen Und den Grauen bei des Kaisers Pferden; Hierauf straffte er dem Pferd die Zügel,Und hinaus trieb er es aus dem Brautzug; Er erfaßt es mit den scharfen Sporen:Drei Speerlängen springt es quer hinüber, Vier danach zum Himmel in die Höhe, Und wieviele vorwärts, weiß man gar nicht;Aus dem Maule sprüht lebend'ges Feuer, Aus den Nüstern schießen blaue Flammen.Und zwölftausend Gäste bleiben stehen Und besehen des Bulgaren Streitroß, Sehn das Streitroß und sind voller Staunen:"Lieber Herrgott, welch ein großes Wunder! Welch ein gutes Pferd, welch schlechter Recke! Solch eins haben wir noch nicht gesehen;Eins besaß vordem des Kaisers Schwager, Jetzt gehört es den Vojinovićen."Doch es sahn das Streitroß auch drei Gauner, Einer nennt sich Vuk von DjakovicaUnd der andre Janko Nestopoljac Und der dritte Jüngling Prijepoljac; Ja, sie sahn es, und sie sprachen hierauf: "Welch ein gutes Pferd hat der Bulgare!In dem Brautzug gibt es so kein zweites, Nicht einmal der Kaiser hat ein solches; Laßt uns etwas hinterm Brautzug bleiben, Um das gute Streitroß abzulisten."Als sie nahe bei Klisura waren, Sind die Gauner dort zurückgeblieben,Und sie sprachen zum Schafhirten Miloš: "Also höre, du Bulgarenbürschlein, Willst du gegen Tausch das Streitroß geben, Sieh, wir bieten dir ein weitaus bess'res Und als Draufgeld hundert Golddukaten,Überdies zugleich noch Pflug und Ochsen -Magst dann pflügen und mit Brot dich nähren."Ihnen sagte Miloš Vojinović: "Laßt mich bloß in Frieden, ihr drei Gauner! Suche doch kein bess'res Pferd als dieses,Denn selbst dieses kann ich nicht besänft'gen. Was will ich mit tausend Golddukaten? Mit der Waage kann ich sie nicht wiegen Und verstehe sie auch nicht zu zählen. Was beginne ich mit Pflug und Ochsen?Auch mein Vater hat ja nie geackert, Konnte dennoch mich mit Brot ernähren." Hierauf aber sprachen die drei Gauner: "Also höre, du Bulgarenbürschlein,Gibst du uns nicht gegen Tausch das Streitroß, Werden wir es mit Gewalt entreißen!"Doch es redet Miloš Vojinović:"Die Gewalt entreißt ja Land und Städte, Und warum dann nicht auch mir das Streitroß! -Will euch gegen Tausch mein Streitroß geben, Denn ich kann zu Fuß fürwahr nicht reisen." Miloš bringt den Braunen jetzt zum Stehen, Unters Bärenfell steckt er die Rechte;Man vermeint, daß er den Bügel löse, Doch er löst die Keule Sechserschwinge, Und er schlägt nach Vuk von Djakovica; Wie gelinde er ihn auch getroffen, Hat sich Vuk doch dreimal überschlagen.Zu ihm redet Miloš Vojinović: "Mögen dir so groß die Trauben werden Dort in deinem sanften Djakovica!"Es entfloh ihm Janko Nestopoljac; Ihn ereilte Miloš mit dem Grauen,Schlug ihn zwischen die lebend'gen Schultern, Viermal hat sich Janko überschlagen: "Halt dich gut, o Janko Nestopoljac! Mögen dir so groß die Äpfel werden Dort in deinem sanften Nestopolje!"Weithin flüchtet Jüngling Prijepoljac Es ereilt ihn Miloš auf dem Grauen, Und er klopft auch ihn mit seiner Keule; Siebenmal hat er sich überschlagen: "Halt dich gut, o Jüngling Prijepoljac!Wenn du nach Prijepolje zurückkommst, Brüste dich dann bei den jungen Mädchen, Daß du dem Bulgar'n das Pferd entrissen!" Und er wendete das Pferd zum Brautzug.Als sie vor das weiße Ledjan kamen, Schlugen sie die Zelte auf im Felde. Hafer faßten nun des Kaisers Pferde, Doch für Milošs Pferd war nichts vorhanden.Als dies merkte Miloš Vojinović, Nahm er seinen Beutel in die Linke, Ging von einem Hafersack zum andern, Bis er seinen eignen randvoll hatte.Und dann ging er hin, den Wirt zu suchen: "O du Schankwirt, gib mir Wein zu trinken!"Doch der Schankwirt gab ihm flugs zur Antwort: "Scher dich weiter, du schwarzer Bulgare, Brächtest du mir den Bulgaren-Holznapf, Würde ich dir gerne Wein eingießen -Denn für dich sind nicht die goldnen Becher!"Miloš sah ihn an mit schrägen Blicken, Und er schlug ihm mit der Hand aufs Antlitz: Wie gelinde er ihn auch geschlagen, Streut' er ihm drei Zähne in den Rachen.Und nun fleht' ihn an der junge Schankwirt: "Schlage mich nicht weiter, du Bulgare! Wein wirst du im Überfluß bekommen, Auch noch dann, wenn er dem Kaiser mangelt."Miloš wollte nicht einmal mehr fordern, Nahm sich selbst und trank sich satt am Weine.Während Miloš sich gemach erholte, Brach der Tag an, es erschien die Sonne, Doch da rief vom Burgwall das Lateinchen: "Heda, hörst du, Serbenkaiser Stefan!Sieh, dort unten vor der Feste Ledjan, Dort erschien des Königs Stellvertreter, Dieser fordert dich zum Heldenzweikampf; -Wohl, jetzt gilt's, den Zweikampf aufzunehmen,Oder du wirst nicht von hier hinweggehn Noch die Hochzeitsgäste heimwärts führen, Und erst recht nicht Roksanda, das Mädchen!"Als der Kaiser Stefan dies vernommen,Schickt er einen Boten durch die Gäste, Es verlautbart hier und dort der Bote:"Hat 'ne Mutter einen Sohn geboren Und zur Hochzeit ihn entsandt dem Kaiser, Daß er sich für ihn zum Zweikampf stelle? -Reich und glücklich würde er ihn machen."Aber nirgends ließ sich einer finden. Und aufs Knie schlug sich der Serbenkaiser: "Wehe mir, beim lieben Gott im Himmel! Wären meine Neffen mir zur Seite,Meine Neffen, die Vojinovićen, Würden sie sich jetzt zum Zweikampf stellen."Während eben dies der Kaiser aussprach, Nähert Miloš sich und führt den Grauen Bis vors Zelt des Serbenkaisers Stefan:"Du erlaubst es, Kaiser and Gebieter, Daß ich mich zum Kampf ins Feld begebe?" Es versetzt der Serbenkaiser Stefan:"Ich erlaub' es, Bulgarenbürschlein, Ich erlaub es, doch es fehlt die Aussicht!Tötest du den jungen Stellvertreter, Werde ich dich reich und glücklich machen."Da bestieg nun Miloš seinen Grauen Und begab sich fort vom weißen Zelte, In der Faust verkehrt den Kampfspeer haltend.Zu ihm sprach der Serbenkaiser Stefan: "Halte, Junge, nicht verkehrt den Kampfspeer, Sondern drehe deinen Speer nach vorne, Sonst verlachen dich dort die Lateiner.”Ihm versetzte Miloš Vojinović:"Hüte, Kaiser, deine eigne Herrschaft! Sollte ich einmal in Not geraten, Werde ich ganz leicht den Kampfspeer umdrehn;Wenn ich aber nicht in Not gerate, Kann ich ihn auch so zurückbefördern."Er begab sich übers Feld von Ledjan, Und es sahn ihn die Lateiner-Mädchen, Sahen ihn, den Miloš, und sie sprachen:"Lieber Herrgott, welch ein großes Wunder! Was für ein Ersatzmann für den Kaiser! Nicht mal Kleider hat er auf dem Leibe! Freue dich, du König-Stellvertreter! Keinen Grund hast du, das Schwert zu ziehen, Keinen Anlaß, es mit Blut zu färben."Währenddessen kam er zu dem Zelte; In dem Zelte saß der Stellvertreter, Hat den Braunen an den Speer gebunden.Zu ihm sagte Miloš Vojinović:"Auf, erhebe dich, weißes Lateinchen, Daß wir uns im Heldenzweikampf messen!"Doch da sagte das weiße Lateinchen: "Scher dich weiter, du schwarzer Bulgare! Habe keinen Grund, das Schwert zu ziehen, Wo du nicht mal Kleider auf dem Leib hast!"Es ergrimmte Miloš Vojinović: "Auf, erhebe dich, weißes Lateinchen! Du hast bess're Kleider auf dem Leibe, Und ich werde sie mir selber anziehn."Auf die Füße sprang jetzt das Lateinchen Und bestieg den ungestümen Braunen, Er begann sofort durchs Feld zu tänzeln; Miloš stellte sich ihm zur Markierung.Das Lateinchen warf sodann den Kampfspeer Gegen Miloš, auf die Brust des Helden; Miloš hielt die goldne Sechserschwinge, Er empfing auf ihr den scharfen KampfspeerUnd zerbrach ihn schmetternd in drei Stücke. Zu ihm sagte das weiße Lateinchen: "Wart ein wenig, du schwarzer Bulgare, Jemand gab mir einen schlechten Kampfspeer, Warte, bis ich einen andern hole."Und er floh drauf übers weite Blachfeld.Doch da rief nun Miloš Vojinović: "Halt ein wenig, du weißes Lateinchen! Gar zu gerne möchtest du entfliehen." Und er jagte das Lateinchen feldwärts,Jagte es zum Tor heran von Ledjan, Doch das Tor von Ledjan war verschlossen. Seinen Speer wirft Miloš Vojinović, Und er nagelt das weiße Lateinchen, Nagelt es ans Tor der Feste Ledjan;Hierauf schlägt er ihm den blonden Kopf ab, Wirft ihn in den Hafersack dem Grauen; Er ergreift den Braunen des Lateiners, Und er führt ihn zum erlauchten Kaiser; "Hier, o Kaiser, ist der Kopf des Kämpen!"Und der Kaiser gab ihm Geld in Fülle: "Geh, mein Junge, trink dich satt am Weine, Reich und glücklich werde ich dich machen!"Kaum daß Miloš sich zum Weine setzte, Rief vom Stadtwall wieder das Lateinchen:"Hier, o Kaiser, vor den Mauern Ledjans, Auf der Wiese, stehn drei Ritterpferde, Aufgesattelt und mit Schmuck behangen, Und darauf drei flammenscharfe Schwerter,Mit den Spitzen nach dem Himmel zeigend: Die drei Pferde sollst du überspringen! Überspringst du nicht die Ritterpferde, Wirst du nie das Mädchen heimwärts führen."Wieder rief der Bote durch die Gäste: "Hat 'ne Mutter einen Sohn geboren Und zur Hochzeit ihn entsandt dem Kaiser, Daß er ihm drei Pferde überspringe Und darauf drei flammenscharfe Schwerter?"Solchen Recken konnte man nicht fmden. Doch erschien nun der Bulgarenbursche Vor dem Zelt des Serbenkaisers Stefan: "Du erlaubst es, Kaiser und Gebieter, Daß ich die drei Pferde überspringe?""Ich erlaub' es, du mein lieber Junge! Doch entsage dem Bulgarenmantel; Gott erschlage jenen schlechten Schneider, Der ihn dir so riesig zugeschnitten!" Zu ihm sagte Miloš Vojinović:"Setz dich, Kaiser, hin zum goldnen Weine, Kümmere dich nicht um meinen Mantel! Wenn im Helden sich ein Herz befindet, Wird der Mantel ihn mitnichten stören: Wenn dem Schaf das eigne Vlies im Wege, Ist das Schaf mitsamt dem Vlies verloren!"Hierauf zog er auf das Feld von Ledjan. Als er bei den guten Pferden ankam, Führte er vorüber seinen Grauen, Und zum Grauen fing er an zu reden:"Hier erwartest du mich in den Sattel!" Von der andern Seite kam er wieder, Nahm dann auf dem ebnen Felde Anlauf, Und er übersprang drei Ritterpferde Und darauf drei flammenscharfe Schwerter;Auf dem Grauen kam er dann zum Stehen. Hierauf nahm er die drei Ritterpferde, Und er führte sie zum Kaiser Stefan.Wenig Zeit nur war danach vergangen,Als vom Stadtwall das Lateinchen ausrief:"Komme nunmehr, o du Serbenkaiser, Vor den höchsten Turm der Feste Ledjan; Auf dem Turme ist ein Speer befestigt, Auf dem Speere steckt ein goldner Apfel: Triff durch einen Ringden goldnen Apfel!" Miloš wollte nicht einmal mehr warten, Sondern fragte gleich den hohen Kaiser: "Du erlaubst es, Kaiser und Gebieter, Daß ich durch den Ring den Apfel treffe?""Ich erlaub' es, du mein teurer Junge!"Es begab sich Miloš zu dem Turme, Spannte mit dem Pfeil die goldne Sehne -Durch den Ring hindurch traf er den Apfel; Er ergriff ihn mit den weißen Händen, Und er brachte ihn dem hohen Kaiser; Da beschenkte ihn der Kaiser fürstlich.Wenig Zeit nur war danach vergangen, Als vom Stadtwall das Lateinchen ausrief: "Sieh, o Kaiser, vor dem weißen Turme, Dort erschienen zwei der Königssöhne, Sie geleiten her drei schöne Mädchen, Ja, drei Mädchen, alle drei gleichartig, Und an ihnen ganz die gleichen Kleider -Komm, erkenne: welches ist Roksanda!Greifst du aber fehl, nach einem andern, Wirst du nicht dein Haupt von dannen tragen, Minder noch das Mädchen heimwärts führen!”Als der Kaiser dieses Wort vernommen, Rief er den Wesir und Dienstmann Todor: "Geh, o Dienstmann und erkenn das Mädchen!"Da beteuerte ihm Todor offen:"Habe es, o Kaiser, nicht gesehen, Denn man führte es mir vor im Dunkeln, Als ich ihm den Brautring übergeben."Und aufs Knie schlug sich der Serbenkaiser: "Wehe mir, beim lieben Gott im Himmel!Haben überlistet und bezwungen, Doch die Braut bleibt uns verwehrt mit Schande!"Als dies hörte Miloš Vojinović, Da begab er sich zum hohen Kaiser: "Du erlaubst es, Kaiser und Gebieter, Daß ich Roksanda, die Braut, erkenne?""Ich erlaub' es, du mein lieber Junge, Aber das Vertrau'n in dich ist kläglich: Denn wie willst du Roksanda erkennen, Da du sie noch nirgendwo gesehen?"Doch es redet Miloš Vojinović: "Sorge dich nicht, Kaiser und Gebieter! Als ich in dem Sar-Gebirge weilte, Bei der Herde, den zwölftausend Schafen, Gab es nächtlich an dreihundert Lämmer,Ich erkannte jedes nach dem Schafe: Roksanda erkenn' ich nach den Brüdern."Zu ihm sprach der Serbenkaiser Stefan: "Geh, o gehe, du mein lieber Junge! Will es Gott, und du erkennst Roksanda, Geb ich dir die Lande Skenderija All zur Herrschaft, und zeit deines Lebens."Miloš zog dann übers weite Blachfeld. Als er ankam, wo die Mädchen standen, Warf er das Bulgarenfell vom Kopfe,Den Bulgarenmantel von den Schultern (Da erglänzten Scharlach, Samt und Seide, Da erglänzten auf der Brust die Schildchen Und die goldnen Spangen an den Beinen:Es erstrahlte Miloš auf dem Felde Wie die heiße Sonne überm Bergkamım), Und er breitete ihn übers Feldgras, Streute auf ihn Ringe und Geschmeide, Feine Perlen sowie Edelsteine.Hierauf zog er das geschärfte Grünschwert, Und es sagte Miloš zu den Mädchen: "Wer von euch Roksanda ist, das Mädchen, Möge Rocksaum jetzt und Ärmel raffen, Möge Ringe und Geschmeide sammmelnUnd die Perlen samt den Edelsteinen; Greift jedoch nach diesen eine andre, Schlage ich so wahr mein Glaube helfe -Ihr den Arm ab bis zum Ellenbogen!"Als nun dieses die drei Mädchen hörten, Sahn die beiden seitlichen zur mittlern, Und Roksanda kniete sich ins Feldgras, Rafft den Rocksaum und die seidnen Ärmel, Sammelte die Ringe, das Geschmeide Und die Perlen samt den Edelsteinen;Doch die beiden schönen Mädchen flohen. Aber Miloš ließ sie nicht entkommen, Sondern griff die zwei bei ihren Händen, Und er führte alle drei zum Kaiser, Miloš gab ihm Roksanda, das Mädchen,Und zu Roksanda dazu ein zweites, Doch das dritte, das behielt er selber. Auf die Stirne küßte ihn der Kaiser, Ohne ihn und seinen Stamm zu kennnen.Da erscholl der Ruf der Hochzeitsboten: "Macht euch fertig, schmucke Hochzeitsgäste, Es ist Zeit, zum Hof zurückzureisen!" Und es machten sich die Gäste fertig, Brachen auf mit Roksanda, dem Mädchen.Als sie von der Stadt sich schon entfernten, Sprach zum Kaiser Miloš Vojinović: "O Gebieter, Serbenkaiser Stefan, Hier in dieser Stadt, in Ledjan, gibt es,Gibt es Herrn Balačko, den Vojvoden. Nun, den kenn ich, und er kennt mich gleichfalls. Sieben Jahre nährt ihn schon der König -Dazu, daß er unsern Zug zersprenge Und das Mädchen Roksanda entreiße;Gleich wird er ihn hinterher uns senden.Auf Balačkos Schultern ruhn drei Köpfe: Aus dem einen schlagen blaue Flammen, Aus dem andern blasen kalte Winde; Wenn zwei Winde aus dem Kopf heraus sind,Ist es leicht, Balačko zu erschlagen. Aber geht nur, führt das Mädchen heimwärts, Ich will hier auf den Balačko warten, Um ihn, so es möglich, aufzuhalten." Es entfernten sich die Hochzeitsgäste, Und sie führten fort das schöne Mädchen; Miloš blieb zurück im grünen Bergwald Und mit ihm dreihundert Kampfgefährten.Als der Brautzug nun hinweggezogen, Rief der König gleich herbei Balačko:"O Balačko, mein getreuer Dienstmann,Kannst du, Recke, es dir selber zutraun,Kaisers Hochzeitsgäste zu zersprengenUnd das Mädchen Roksanda zu rauben?”Doch ihn fragt Balačko, der Vojvode: "O Gebieter, König du von Ledjan, Wie sah jener Recke aus im Brautzug, Der den größten Heldenmut bewiesen?"Zu ihm sprach die Königin von Ledjan: "Unser Dienstmann, o Vojvod' Balačko, Nein, dort ist kein Held vorhanden, Außer einem, dem schwarzen Bulgaren, Aber der ist blutjung und noch bartlos."Doch es sprach Balačko, der Vojvode: "Jener Held ist kein schwarzer Bulgare, Sondern ist Herr Miloš Vojinović; Doch es kennt ihn nicht einmal der Kaiser, Aber ich, ich kenne ihn seit langem."Zu ihm sprach die Kaiserin von Ledjan: "Gehe, Dienstmann, o Vojvod' Balačko, Und entreiße mir die Braut den Serben, Ich jedoch, ich werde sie dir schenken."Und Balačko sattelte die Stute;Rasch ritt er des Wegs in Richtung Brautzug -Mit sechshundert Reitern der Lateiner.Als sie in dem grünen Bergwald waren, Stand der Graue auf der breiten Straße Und dahinter Miloš Vojinović.Ihn rief an Balačko, der Vojvode: "Nun, o Miloš, hast du mich erwartet?"Drauf entließ er eine blaue Flamme Und versengt' das Bärenfell am Grauen; Als er merkte, daß es dem nichts schade,Da entließ er einen kalten Sturmwind: Dreimal überschlug sich jetzt der Graue, Doch den Miloš hat das nicht verdrossen.Miloš rief nun aus der weißen Kehle: "Hier, da hast du, was du nicht erwartest!" Er entließ die goldne Sechserschwinge: Wie gelinde er ihn auch getroffen,Warf es doch Balačko aus dem Sattel; Hierauf zückte er den scharfen Kampfspeer, Heftete Balačko auf den Rasen, Die drei Köpfe schlug er ihm vom Rumpfe, Und er warf sie in den Haferbeutel.Darın berannte er im Sturm die Reiter Im Verein mit den dreihundert Kämpfern: Und sie schlugen ab dreihundert Köpfe; Dann enteilten sie in Richtung Brautzug.Als sie eingeholt im Zug den Kaiser, Warf er vor ihn hin Balačkos Köpfe; Da erhielt er tausend Golddukaten.Man begab sich nach dem weißen Prizren Als sie durch das Amselfeld gezogen, Wollte Miloš nach der Stadt Vučitrn,Und er sprach zum Serbenkaiser Stefan: "Gott behüte dich, mein lieber Onkel, Lieber Onkel, Serbenkaiser Stefan!" Jetzt besann der Kaiser sich und wußte: Jener dort war Miloš Vojinović!Und der Kaiser sprach zu seinem Neffen: "Also du bist es, mein Junge Miloš! Also du bist es, mein lieber Neffe! Wohl der Mutter, welche dich geboren, Und dem Onkel, der dich nennt den Seinen!Warum sagtest du es mir nicht früher? Und ich quälte dich mit weiten Wegen, Mit dem Nachtquartier, mit Durst und Hunger!" Wehe jedem, dem die Seinen fehlen!
Übersetzt von Stefan Schlotzer